In letzter Zeit passiert es mir immer öfter, dass ich mit Vergnügen und Anteilnahme Filme über alte Leute ansehe: Quartett, Another Year, Young@heart und zuletzt Le Weekend. – Keine deutschen Filme, die Leute sind so ungefähr in meinem Alter, da muss ein wenig Distanz sein.
Was haben diese Filme zu bieten? Wiedererkennen, Identifikation für uns nicht mehr Junge, der Trost: so schlimm ist doch gar nicht, das älter werden? Le Weekend versucht es mit Humor und doch ist es ziemlich schlimm. Kaum auszuhalten wie Nick und Meg ihre Ehe zugrunde richten um dann doch immer wieder routiniert neuen Anlauf zu nehmen. Und das in Paris, die von der Stadt der Liebenden zumindest für Nick zur ausgefuchsten Maschinerie mutiert, ihn seiner letzten Ersparnisse zu berauben. Denn seine Frau hat das kleinliche Sparen satt, will noch mal leben. Beachtlich, wie wenig Fassade Meg und Nick über Fleisch und Gerippe ihrer 30-jährigen Ehe gebaut haben. Was wir sehen, was sie sich und uns zeigen, verspielt und schauspielerisch von Jim Broadbent und Lindsay Duncan präzise umgesetzt, deckt nichts zu, im Guten wie im Schlechten. Und ziemlich schlecht wird es dann auf einer Party bei einem Ex-Kommilitonen von Nick, der jetzt als erfolgreicher Schriftsteller mit frischgebackener, blutjunger Ehefrau in Paris lebt. Alles, was dort versammelt ist, erfolgreiche Künstler und Akademiker, führt ihnen vor Augen, dass sie es nicht in diese Liga geschafft haben. Als Nick als Antwort auf eine Tischrede seines Gastgebers sprechen soll, präsentiert er der peinlich berührten Gesellschaft die Zusammenfassung seines gescheiterten Lebens. Das hat eine solche Wucht, eine solche Größe, kein Versuch etwas zu beschönigen, dass alle betreten dasitzen, als er fertig ist. Die eigentliche Botschaft aber geht an seine Frau, die ihm angekündigt hatte, ihn am selben Abend mit einem der Anwesenden zu betrügen: sie kriegen mich nicht dazu, mir selbst untreu zu werden. Und die Botschaft kommt an: Meg erzählt der schweigenden Tischgemeinde von einer kleinen Szene, die zeigt, dass sie diesen Mann liebt. Dann gehen beide zusammen ohne ein weiteres Wort.
Und ich bin nicht nur getröstet, sondern euphorisch wie sie: „Das war genial“, sagt sie, „wie hast du das gemacht?“ „Ich habs eben immer noch drauf,“ sagt er. Nirgendwo, außer vielleicht bei den anonymen Alkoholikern ist das Scheitern so akzeptabel wie im englischen Film. Und da ist es viel komischer.
Fazit: Le Weekend hilft beim Älterwerden, Hochzeitsjubiläen > 20, Ehemüdigkeit, Wechseljahresbeschwerden beim Mann, missratenen Kindern, die wieder zuhause einziehen wollen und Wochenendkurztripmüdigkeit.
Ganz wunderbare Kommentare-herrlich zu lesen und der Film young@heart ist sehr empfehlenswert. Habe mir sogar überlegt, ob ich in unserem schönen Schweizerländli auch so ne Truppe gründen soll….und was soll das mit dem Alter-wir haben ja erst die Hälfte!!!!
Auf das stossen wir doch an…
Au ja! Mach das! Ich käme dann immer zu euren Konzerten!
Witzig, mir geht das auch so, mit den Filmen über ältere Leute, das mich das stärker berührt, das mir das häufiger begegnet. Da ist ja auch der gesellschaftliche Fokus hingewachsen. Bei young@heart kamen mir auch die Tränen, ich habe die DVD seitdem schon ein paar Mal verschenkt, für LeWeekend hast Du mich eindeutig gewinnen können. Keine deutschen Filme? Nun, in „Bis zum Horizont, dann links“ sind sie alle schon ziemlich alt und kapern ein Flugzeug: sehr sehenswert. Und auf der Bühne ist „Ewig jung“ im Renaissancetheater unabhängig vom Thema das musikalischste, lustigste, bestgespielteste, berührendste Berliner Theaterereignis, das ich jemals (und das schon vier oder fünf mal) gesehen habe…
Schade, dass Ewig jung nicht mehr läuft. Ich hab mir Ausschnitte angesehen, da hab ich auch Lust drauf. Wie konnte das an mir vorbeigehen?
Doch doch, Ewig jung läuft noch, jeden Monat ca. 3 Mal! Der Pianist sagte mir, daß auch das Ensemble dieses Stück liebt und gerne immer und immer wieder spielt. Ich werde Ende Juni mal wieder reingehen, mit meinen Eltern…
Die Sorte mittelalte bis alte Leute, die in Filmen wie Le Weekend portraitiert werden, kenn ich gar nicht. Die kommen in meinem Leben tatsächlich nur als Geschichten oder Filme vor.
Die Menschen in meinem Leben, die, ich vermute als Tarnung, behaupten, sie seien über fünfzig, sind ganz anders. Kein einziger von denen hat sein Leben ausschliesslich damit verbracht, grauenvolle Nesthockerkinder grosszuziehen und dabei mit dem Kochlöffel auf die Nähmaschiene einzudreschen. Dementsprechend legt auch leider oder gottseidank keiner von denen eine filmreife Midlifecrisis hin.
Schwiegermutter springt Countrylieder röhrend über die Bühnen unserer schönen Heimat, Schwiegervater bohrt einen Tunnel von Chur nach Zürich und segelt um die Welt. Vater fährt kurzerhand alleine nach Buenos Aires und tutet frohgemut in sein Saxophon. Mutter: Tja Mutter. Mutter hat Hermines Timeturner geklaut. Stellt euch einfach vor, Mutter macht alles, was cool, ist, das was man muss auch noch und dann zieht einfach Basejumpen und Unterwäschebügeln ab, das macht sie zum Glück nämlich nicht. Sonst alles. Ohne Witz. Ach ja. Und meine Oma hat mir grad telefonisch mitgeteilt, sie fahre jetzt nochmal nach Marokko und werde ausserdem 120 Jahre alt, ich solle mich da mal drauf einstellen.
Was dies Überhauptnichtalten alle gemeinsam haben, ist, sie nutzen die reine Anzahl an Jahren, die sie angeblich schon leben (was überhaupt mal jemand beweisen soll), schamlos aus. Ein einziger Satz vereint sie alle: „Dafür bin ich zu alt, das muss ich nicht mehr“. Das wird als eiskaltes, nicht zu schlagendes Argument für alles benutzt, worauf sie schlicht noch nie Bock hatten. Glaubt ja nicht, dass es sich dabei um durchtanzte Nächte oder Abenteuerreisen handelt. Oh nein! Die sind zu alt zum bügeln, zu alt sich über blöde Themen zu zanken, zu alt um in langweiligen Theaterstücken wach oder anwesend zu bleiben, zu alt um sich mit Leuten zu einigen, die sich sich gar nicht einigen wollen, zu alt um die Gebrauchsanweisung auf chino-holländisch zu enträtseln. Machen die einfach nicht mehr.
Was hat das mit Le Weekend zu tun? Ich glaub deshalb gucken diese besagten Nicht-Alten gern diese Filme. Sie denken sich: „Hähä! Sind die doof, hab ich alles von Vorneherein nicht so gemacht.“ Ausserdem mögen Sie diese Filme, weil sie sich beim Schauen herrlich entspannen können. Trotz aller Umstösse, passiert da nämlich immer noch viel weniger, als in ihrem eigenen, aufregenden Leben.
Warum schau ich solche Filme gerne? Haben ja mit meiner Altersgruppe wenig bis nichts zu tun… Für mich sind es eben einfach gut erzählte, lustige Geschichten. Märchen mit einem vielleicht warnenden, wahren Kern. Aber eben nur dann, wenn man vom Weg abkommt. Die warme, beruhigende Gewissheit bleibt, in Wiklichkeit ist es nicht so. In Wirklichkeit vergeuden die Menschen ihr Leben nicht, nur um dann nach fünfzig schnell alles anders zu machen.
Ich hab das übrigens versucht, das mit dem „dafür bin ich zu alt…“ Hab mich für schlau gehalten und hab gedacht, ich zieh das jetzt einfach zeitlich vor. Hab mich aufs Sofa gesetzt und hab meinem Mann strahlend verkündet, ich mache das jetzt nicht mehr mit dem Staubsauger nach dem saugen reinigen, dafür sei ich zu alt. Hat nicht funktioniert. Ein langer Blick aus seinen melancholisch-schweizerischen Augen, der fast alles bedeuten konnte, liess mich zusammenschrumpeln. Er ist eben kein Mann vieler Worte. Sätze helfen bei ihm nicht viel.